Barken-Fahrt in Potsdamer und Berliner Gewässern vom 2.9. - 5.9.1999

Zehn Allemannen entschlossen sich für eine Barkenfahrt auf den Berliner Gewässern. Clemens Claussen (Fahrtenleiter) hatte sich um die Übernachtung beim Werder Ruderclub bemüht, der leider an dem Wochenende wegen einer großen Regatta absagen mußte, uns aber eine Adresse in Töplitz empfahl, die sich dann als Top-Unterkunft enpuppte.

In vier einzelnen Bungalows mit je zwei Schlafzimmern, Duschbad, Küche, Flur Wohnzimmer (mit Fernseher) und Terrasse zum Garten waren wir stilvoll, wennauch noch ein wenig DDR-Standard, untergebracht (wir sind doch keine Pfadfinder) . Das ca. 5000 qm große Waldgrundstück war direkt am 'Kleinen Zern See' gelegen. Wilfried begrüßte vor allem die schnarchfreie Zone.

Der Bürgermeister persönlich empfing die Allemannen und zum Abendbrot am Donnerstag gab es in der zur Wohnanlage gehörenden Gaststätte 'Havelstübchen' Bouletten satt (vom Feinsten). Dazu, wie konnte es anders sein, wurde ein gutes Bier geschenkt.

Ein strahlender Freitag morgen erwartete uns und nach einem guten und reichlichen Frühstück wurde die Barke unter Kuddel Bath's technischer Leitung zu einem nahe gelegenen Segelhafen gezogen. Ein 25 Tonnen Autokran , ausgerüstet mit Spreader und Gurten und einer Auslage von 25m hob die Barke - vollständig aufgeriggt und ausgerüstet - vom Tailer und setzte sie sanft in den Zernsee. Das ganze Manöver dauerte 10 Minuten und war einfach, sicher, schnell und sauber. Die Steuerleute prüften nochmals die Route und dann wurde abgelegt und wir ruderten auf dem ' Großen Zernsee' Richtung Potsdam. Ein laues Lüftchen wehte und machte das Rudern angenehm. Mit ruhigem Schlag legten wir die ersten 4,5 km zur Insel Werder zurück, wo wir auf dem Wasser ein kleine Pause machten, den schön gelegenen Ruderclub betrachteten und eine Weinschorle zu uns nahmen.

Weiter ging's die Havel entlang zum Schielow See und zum Leuchtfeuer Caputh. Wir folgten der Havel durch die Caputher Gmünde, passierten die Wagen-und Personenfähre und ruderten in den Templiner See. Viele Motorboote mit Püppies wurden passiert; das hob die Stimmung. Langsam näherten wir uns den ersten Vororten Potsdams. Da der Judengraben nicht befahrbar sein sollte , nahmen wir den längeren Weg und ließen Hermanswerder an Steuerbord liegen. An der Neusstädter Havelbucht gings vorbei Richtung Stadtmitte. Hier legten wir auf dem Wasser eine Pause ein und betrachteten in aller Ruhe die Nikolai-Kirche mit dem Atlas davor. Franz überraschte die Crew plötzlich mit einer kleinen Erfrischung: Eierlikör, das gabs nocht nicht, das war neu, aber nicht schlecht. Man mußte nur fürchterlich schlecken um auch den Rest aus dem Glas zu bekommen. Bei Burchardi wollten wir zu Mittag essen, wurden aber von hilfreichen Potsdamern darauf aufmerksam gemacht, daß das nächste offene Lokal ca. 2 km weiter läge. Alle wieder ins Boot und auf gings Richtung 'Tiefer See' mit seinem wunderschönen Babelsberger Park an Steuerbord und der Berliner Vorstadt an Backbord. Das Schloß Babelsberg - durch Persius 1834-35 nach Plänen von Schinkel erbaut - erhob sich majestätisch über der Havellandschaft. Oberhalb des Schlosses ragte die Sternwarte über die Baumkronen.

Durch die Babelsberger Enge gelangten wir zur 'Glienicker Brücke' (Übergabestelle für Spione). Eine schöne Brücke in traumhafter Lage. Herr Schalk-Golokowski wohnt jetzt allerdings am Starnberger See - auch nicht schecht. Um das Leuchtfeuer Krughorn ruderten wir in die kleine Bucht Moorlake am Volkspark, wo wir ein schönes Ausflugslokal (auch von Perisus - einem Schüler Schinkels erbaut) vorfanden. Der Anker wurde übers Heck ausgebracht und die Vorleine konnte gut am Ufer belegt werden. Das Lokal, eingebettet in eine Parklandschaft, hatte eine umfangreiche Speisekarte, die jedoch auch etwas für den Hunger zwischendurch enthielt.

Das hochsommerliche Wetter hatte viele Leute ins Freie gelockt . Eine Gruppe von fünf berliner Püppis picknickte in unmittelbarer Nähe der Barke und Franz und Kuddel luden die Damen zu einem gekühlten weißen Sancerre mit Eierlikör ein. Die Damen konterten jedoch mit dem Entkorken einer Flasche Sekt und verabschiedeten uns mit 'nächstes mal'. Auch gut, meinte der schnurrende Kater.

Bei der Pfaueninsel wurde die schmale Südfahrt durchrudert und ums Tiefehorn gelangten wir in den 'Großen Wannsee'. Hier war der Bär los. Alles was irgendwie ein schwimmfähiges Fahrzeug hatte befand sich auf dem Wasser. Am Strandbad Wannsee vorbei ruderten wir zum Ruderclub Wannsee, wo die Barke für die Nacht angelegt wurde.

Von der Station Nikolasee fuhren wir mit der S-Bahn, über Potsdam nach Werder. Die Berliner amüsierten sich über die Allemannen, die von S-Bahn Steig zu S-Bahnsteig, durch Unterführungen hasteten um die richtige Bahn zu finden. Aber schließlich saßen wir doch in der Richtigen, die sogar nach Werder fuhr und auch dort hielt. Werder deswegen, weil die gesamte Truppe dort von unseren töplitzer Gastwirten mit einem Kutter über den See zu unseren Bungalows geschippert werden sollte.

Beim Verlassen des Werder Bahnhofs wurde per Mobiltelefon der Kutter zur Eisenbahnbrücke am See bestellt. Nach ca. 5 Minuten Fußmarsch hatten wir die Brücke erreicht. Die Crew machte es sich unter der Brücke bequem und eine Flasche wurde entkorkt, um die Wartezeit zu verkürzen (Eierlikör war alle). Da kein Anlegesteg vorhanden war, wurden bereits wasserbauliche Maß-nahmen ergriffen, um das Einsteigen vom Ufer aus zu ermöglichen, denn nach aller Meinung war es verboten die Brücke zu queren um eventuell im Yachthafen an gegenüberliegenden Brückenufer einzusteigen. Als unsere Gastwirte (Bürgermeister und Baurat) mit dem Kutter auftauchten winkten die uns zum gegenüber liegenden Yachthafen. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, daß die Brücke für Fußgänger zulässig war. An Bord wurden wir herzlich willkommen geheißen. Bier war bereits kaltgestellt und jeder machte es sich auf dem gräumigen Boot bequem. Über den großen Zernsee, der spiegelglatt vor uns lag, schipperten wir mit langsamer Fahrt unseren Bungalows entgegen. Der Baurat erklärte und Jost durfte den Kutter steuern; Hauke gab nautische Anweisungen und Horst regelte den schnurrenden Verkehr. Es war ein Bilderbuchabend auf dem Havelsee. Jeder genoß den Sonnenuntergang, und Norbert hielt alles per Photo fest . Bei wolkenlosem Himmel und sommerlichen Temperaturen näherten wir uns dem Privatanlegesteg unseres Grundstücks. Eine Superidee, die Heimfahrt mit dem Kutter. Ein gelungener erster Rudertag ging mit einem guten Abendessen (Gulasch mit Kartoffeln und Bohnen) , von der Hausfrau persönlich gekocht, und ein paar gut temperierten Bieren zu Ende.

Am Sonnabend fuhren wir per Bus nach Potsdam. Die Fahrt führte vorbei am gepflegten Park von Sanssouci mit seinem imposanten Schloß 'Sanssouci' (vom alten Fritz persönlich entworfen) und dem schönen Neuen Palais. Am renovierten, gelungen umbebauten Potsdamer Bahnhof (einen Tag vorher eingeweiht) bestiegen wir die S-Bahn Richtung Nikolasee. Das Wetter war sehr schön. Durch den Kleinen Wannsee, Pohlsee, Stolpsee und den Griebnitz Kanal und Griebnitzsee ging es wieder zur Glienicker Brücke. Eine wunderschöne Tour, vorbei an erlesenen Seegrundstücken mit Traumvillen, erfreute unser Auge. Aber nicht nur Traumvillen, auch Traumruderinnen beim Morgentraining in ihren Skiffs und knappem Ruderdress waren Labsal für das Gemüt, if you know what I mean.

Nach der Glienicker Brücke ruderten wir ums Qappenhorn in den Jungfernsee. Das Schloss Cecilienhof wurde passiert in dem Weltgeschichte geschrieben wurde. Dort fand 1945 das Potsdamer Abkommen statt. In dem Abkommen wurde Deutschlands Entmilitarisierung, die die Reparationen, die Demontage, die Dekartellisierung, die Bestrafung der Kriegsverbrecher und die Demokratisierung, die Austreibung der Deutschen aus Polen, CSR und Ungarn, sowie die Aufteilung in vier Besatzungszonen und die Abtretung N-Ostpreußens an die UdSSR beschlossen. Mit der Forderung der bedingungslosen Kapitulation Japans wurde das Abschlußkommunique der Potsdamer Konferenz am 2. August 1945 von Stalin (UdSSR), Truman (USA) und Attlee (UK) unterzeichnet. Eine neue Weltordnung von unfaßbarem Ausmaß war geschaffen worden.

Unsere Crew, die trotz der Weltgeschichte tapfer gegen alle möglichen Segler und Motorboote ruderte, hatte inzwischen das Grosse Horn passiert und war in den Weissen See eingefahren. Durch den Paretzer Kanal gelangten wir in den Schlänitzer See. Bei fast Windstille glitt die Barke durch das Naturschutzgebiet (vorbei an ankernden Booten, die ungestört sein wollten) nach dem Ort Grube an der Wublitz.

Die Stimmung war bärenhaft und in Natwerder wurde an einem kleinen Lokal festgemacht, um eine kurze Pause einzulegen. Nach der Kaffeepause gings zum Eingang des Grossen Zernsee, wo das schöne Wetter viele Leute ins Wasser oder zum Sonnenbaden lockte. Wir hielten uns an der Schilfkante und ruderten an dümpelnden Booten vorbei, wo manches Bein raushing (if you know what I mean). Gegen 1900 Uhr legten wir an unserem Privatsteg an, wo in der Nähe noch einige junge Leute badeten, was auch Hauke und Kuddel nach dem Anlegen zum Sprung ins Wasser verführte. Welch ein Glück, daß die Beiden vom Steg einen langen Köpfer ins Wasser wagten, denn als sie schwimmen wollten merkten beide daß das Wasser nur ca. 1m tief war.

Das Abendessen wurde auf der Terrasse des Dorfkrugs eingenommen. Der Abend war so lau, daß wir noch bis fast Mitternacht draußen sitzen konnten. Einer der letzten Kümmerlinge muß schlecht gewesen sein, denn Rainer, Werner, Wilfried und Kuddel (völlig unverständlich) trollten sich gegen Mitternacht Richtung Bett. Horst, Hauke und Franz wollten noch in die dörfliche Sauna. Clemens und Jost verholten sich an die Bar, und betrachteten im Fernsehen den aktuellen Boxkampf. Nach kurzer Zeit tauchte die Saunagang wieder auf (die Sauna war ein medizinisches Bad und hatte geschlossen), ein letztes Bier wurde getrunken, und danach schunkelten wir den klaren Sternenhimmel betrachtend unseren Bungalows entgegen. Ja wirklich, es war eine klare, dunkle Nacht ohne Straßenbeleuchtung und man konnte tatsächlich die Milchstraße ausmachen.

Am Sonntag morgen erwartete uns wiederum ein strahlender Tag. Vom eigenen Bootssteg ruderten wir nach Werder um den dortigen Ruderrecken einen Besuch zur Regatta zu machen. Die Regattastrecke in Werder ist vom Feinsten. Boote von ganz Deutschland waren am Start und es war schön den jungen Leistungssportlern zuzusehen.

Unsere Barke machte neben der Ziellinie fest und wir begaben uns in das schöne Inseldorf, sagten im Ruderclub guten Tag, tranken ein Bier und machten uns zum Kulturrundgang durchs Dorf auf. Horst witzelte mit einer Peterwagenmaus und brachte sie beim Knöllchenschreiben durch-einander.

Gegen Mittag verließen wir die schöne Insel. Beim Passieren der Ziellinie verabschiedete die Regattaleitung die hamburger Barkencrew mit einem kurzen Signalton. Gegen 1400 Uhr waren wir wieder bei unserem Schwergutkran. Das Boot wurde angeschlagen und problemlos auf den Trailer verladen, wo man in aller Ruhe abriggen und säubern konnte. Norbert machte die letzten Aufnahmen damit der Film bald entwickelt werden konnte.

Ungefähr 85-90 km waren bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen (28-30 Grad) auf den Gewässern um Potsdam und Berlin gerudert gerudert worden. Der Wein und der Eierlikör waren getrunken, nichts ging mehr.

Eine letzte Dusche in unseren Bungalows und dann wurde gepackt. Wie alle anderen wollte auch Rainer sein Auto aufschließen, aber wo war der Schlüssel; weg, futsch. Die Suche ging los: Wo hast du ihn zuletzt gehabt, wo warst du überall in der Zwischenzeit. Neun Ruderer suchten Zentimeter für Zentimeter die in frage kommenden Stellen ab. Nichts, nicht einmal Pilze wurden gefunden. Rainer, allein im Zimmer, packte wieder aus. Die Sachen wurden geschüttelt, nichts. Zuletzt nahm sich Rainer seine Trainingshose vor. Hurra da war er, versteckt-verhakt in der Tasche. Alles wieder gut, jetzt konnte es los gehen. Und es ging los, zum Dorfkrug zu einer letzten Tasse Kaffee vor der Heimfahrt.

Es war die letzte Barkenfahrt in diesem Jahr, in diesem Jahrzehnt, in diesem Jahrhundert. Nicht nur das; es war die letzte Fahrt der Barke in diesem Jahrtausend, organisiert von Clemens Claussen.

Die ‚Millennium Barkencrew' bestehend aus Kuddel Barth, Hauke Peters, Clemens Claussen, Horst Dellin, Rainer Rese, Werner Koppe, Franz Wolgast, Wilfried Brozait, Norbert Schmidt und Jost Asbach will auch im kommenden Jahrtausend wieder in dieses schöne Boot steigen und neue Gewässer befahren, die anliegenden Städte und Dörfer erkunden, deren Bewohner und deren Gebräuche-Gastlichkeit kennen lernen und die Fahrten ganz einfach genießen.

Aus der Millennium Crew steigt man nicht aus, da stirbt man weg und kommt ins gemeinsame Mauseleum.

Jost Asbach

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