Auf Fontanes Spuren im Land der Biber und Störche



Wir kamen vom Flecken Semlin, der am Ufer eines lieblichen Sees liegt und ruderten die Havel in Richtung Havelberg zu. Die Ruder griffen nun rasch ein , der Flecken wurde kleiner, endlich schwand er ganz, und nur als ein Gebilde der Einbildungskraft stand eine Zeitlang der Turm der kleinen Kirche noch vor unseren Augen. In unserer Barke schossen wir dahin und so oft wir das Schilf am Ufer streiften, klang es, wie wenn eine Hand über knisternde Seide fährt. Außer dem dumpfen Riemenschlag der Ruderer des Ruderclubs Allemannia vernahmen wir nichts als jenes leise Geräusch, womit die Wellchen an die Bordwand plätschern.

Frei nach Theodor Fontane

So oder ähnlich hätte Theodor Fontane wohl in seinem Buch „Die fünf Schlösser“ unsere Fahrt beschrieben, wenn er denn 1867 mit der Barke Messina III auf dem Wasser gereist wäre. Sicherlich wäre er dann auf der Barke gleich mit uns nach Hamburg zum damals frisch gegründeten Ruderclub Allemannia von 1866 gerudert und hätte dort einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Denn wir können nicht nur rudern, sondern auch sehr fröhlich sein. „Wir“, das sind die 12 RCA-Ruderer vom „Bullentisch“, ein Name den uns die Ruderkollegen gegeben haben, keiner weiß genau warum.

Seit 1996 machen wir alljährlich drei Barkenfahrten, insgesamt schon 26. Für die diesjährig erste Fahrt hatten wir das Rudergebiet um Havelberg ausgewählt, unsere bisherigen Fahrtenberichte sind im Internet unter www.bullentisch.de nachzulesen.

 

Ruderer: Rainer Busch, Horst Dellin, Hauke Peters(verdeckt), Frank Wolgast, Karl-Hermann Bath (verdeckt), Dr. Clemens Clausen, Wilfried Brozait, Jost Asbach

Steuermannsbank: Werner Koppe, Hans-Otto Meyer.

 

Havelberg als idealer Ausgang für Tagestouren

Die vielen Wasserwege um Havelberg, insbesondere die Einmündung der Havel in die Elbe, waren die Grundlage für den früheren Wohlstand der Stadt; sie bilden auch jetzt noch ein ideales Ruderrevier. Der im 12 Jahrhundert gebaute mächtige Dom St. Marien prägt noch heute das Ortsbild Havelbergs und sollte uns auf unseren Rudertouren schon aus großer Entfernung den Weg weisen.

Die zeitige Buchung im „Hotel am Hafen“www.hotel-havelberg.de war ein weiser Entschluss unseres Fahrtenleiters Clemens Clausen, genannt bull-eye. Das neue Hotel ist gut geführt; es liegt bei den Steganlagen einer Marina im Winterhafen. Barkenruderer können diese optimal am Nordende des Winterhafens auf einer vorbildlich angelegten Slipanlage zu Wasser bringen.

Wer es nicht so aufwendig liebt und eventuell auch Ruderboote leihen möchte, ist willkommener Gast bei der Ruderriege Havelberg. Diese bietet auch preiswerte Unterkünfte in zentraler Lage auf der Spülinsel am Winterhafen an (Vorsitzender und vorbildlicher Berater: Herr Welle 039387 80986/j.welle@t-online.de ). Über eine Fußgängerbrücke gelangt man von der Ruderriege direkt in die Altstadt von Havelberg.

 

Die Elbe stromab und ohne Mühe wieder zurück (insgesamt ca. 35 km)

Dieser Rudertraum wird dadurch Wirklichkeit, dass es auf fast 20 km zwei nahezu parallele Wasserwege gibt. Man nimmt die schnell fließende Elbe für stromab von Havelberg bis Gnevsdorf. Dann rudert man die gestaute und durch einen Vorfluter verlängerte Havel ohne Mühe stromauf nach Havelberg zurück.

Leider konnten wir diese Strecke nicht fahren, da die Schleuse Quitzöbel gesperrt war, um einen höheren Wasserstandes für die Biber in den Naturschutzgebieten der unteren Havel zu erreichen. Wir haben die Tour dennoch aufgrund ihrer Einmaligkeit für andere Ruderer beschrieben und empfohlen. Unsere neue Strecke haben wir durch die Bibergebiete verlegt.

 

Von Semlin nach Havelberg ( insgesamt ca. 40 km )

Die neue Strecke begann in Semlin am Hohennauer See. Dort brachte Kuddel, genannt Pull-Bull, die Barke wie immer ohne Probleme am Ende der Dorfstraße auf festem Untergrund zu Wasser. Der lang gestreckte See wurde schnell durchrudert und bei der Einfahrt in den schnurgeraden Hohennauer Kanal, der den See mit der Havel verbindet, wurden die Riemen in Segelstellung gebracht um die Düsenwirkung des Kanals zu nutzen und lautlos, mit flotter Fahrt dahin zu gleiten. Wir hatten nämlich Biberbauten und angenagte Bäume am Ufer gesehen und hofften, die kleinen Nager zu erblicken. Unsere Leise-Taktik zeigte rasch den erhofften Erfolg und wir sahen den ersten Biber. Nun war es an der Zeit zu testen, und zwar die Künste unseres Kellermeisters Frank Wolgast, alias Franz, auch Red-Bull genannt. Er ist Erfinder des Bullenschlucks und brütet diesen unter Berücksichtigung des Eisprungs immer rechtzeitig und in ausreichender Menge vor jeder Wanderfahrt aus. Leider war die Mischung so gut gelungen, dass diese schon vor Ende der Fahrt aufgezehrt war. Bei diesem ausgiebigen Test wurde die Beobachtung und Erkundung der Natur keinesfalls vernachlässigt.

Anfangs wurden noch bei jedem Biberbau Entzückungsrufe ausgestoßen, angestoßen und aufgestoßen. Jeder angenagte oder gefällte Baum verursachte dagegen ein gewisses Befremden über den massenhaften Baumfrevel. Einige Bullen stiegen sogar auf Bäume, um die Biber mit Bau-Material zu versorgen, auch in der Hoffnung, hierdurch den Baumfrevel zu verringern.

Diese Aktivitäten führten jedoch schnell zu einer starken Gewöhnung und Ermüdung. Allerdings wurden wir an der Schleuse Grütz durch einen fatalen Kartenfehler wieder schlagartig glockenwach, denn unser Steuermann Hans-Otto Meyer, alias HOM, wollte in Schussfahrt das Wehr passieren. Es gibt aber keine Sportbootschleuse im Wehr des Nebenfahrwassers, denn die Schleuse Grütz liegt im Hauptfahrwasser und ist auf Selbstbedienung für Boote umgerüstet. Den zu empfehlenden Abstecher in die Haus-Brauerei Schollene im gleichnamigen Ort an der Havel ersparten wir uns, da es noch zu früh am Vormittag war. Weiter stromab beim Dorf Molkenberg teilt sich die Havel, die auf Steuerbord beginnende sehr schmale und hübsche Gülper Havel ist nur für kleinere Ruderboote befahrbar, so dass wir uns mit der Barke backbord hielten und auf dem Hauptfahrwasser der Havel weiter nach Garz ruderten. In diesem Bereich sahen und hörten wir unzählige Störche, die auch dicht über unsere Köpfe zum Nistplatz flogen, angelockt vom klappern des Partners, der schon auf Futter für die Kleinen wartete. Das Örtchen Garz hat einen idyllischen Hafen mit guten Liegemöglichkeiten für eine Barke und eine nette Schankwirtschaft mit preiswerten, guten Speisen und Getränken. Auf der Fahrt von Garz nach Havelberg sahen wir wiederum kaum Menschen, dafür umso mehr wunderschöne Natur und seltene Tiere. 

Am letzten Tag wurde die Barke problemlos aus dem Wasser genommen und von Horst Dellin, unserem Eider-Bull sicher nach Hamburg gebracht. Es war eine Fahrt, die wieder mal sehr gut von unserem Fahrtenleiter Bull-Eye und dem Finanzminister Wilfried Brozait, alias Banky-Bull organisiert wurde. Rückblickend konnten wir sagen:

„Wer in der Mark reisen will, der muß zunächst Liebe zu „ Land und Leuten“ mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muß den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch kritische Vergleiche totzumachen“.

Theodor Fontane („Wanderungen durch die Mark Brandenburg“)

Wir suchten das Gute und fanden es im Havelberger Land.

 

Hans-Otto Meyer, im Mai 2005

 

   

 

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