2. Große Barkenfahrt rund um Potsdam

Die dritte Wanderfahrt des Jahres der sogenannten "Bullenrunde" sollte wie schon im September 1999 in Potsdamer Gewässer führen. Diesmal waren wir glücklicherweise genügend Bullis, um die Barke "Messina III" entsprechend unserer Schiffsbesetzungsordnung zu bemannen. Das bedeutet, dass neben dem Steuermann mindestens ein Steward für das leibliche Wohl der Besatzung an Bord zur Verfügung stehen muss.

Am Donnerstag, dem 7. September, macht sich die Gruppe, bestehend aus Jens-Peter Schmidt, Norbert Schmidt, Kuddel Bath, Horst Dellin, Franz Wolgast, Werner Koppe, Jost Asbach, Clemens Clausen, Wilfried Brozait und Hauke Peters, auf den langen Weg ostwärts in Richtung Berlin, immer den Sternen und der A 24 folgend. 
Die Leitung der Fahrt hat auch diesmal Clemens übernommen und sogleich das neue Amt des Kassenwarts an Wilfried, unseren "Bänkibull", übertragen. 

Pullbull's Jeeeep ist vollgetankt, und das zulässige Gesamtgewicht von 7,8 t wird anhand der Fahrzeugpapiere sicherheitshalber noch einmal kontrolliert. Was kann uns also noch passieren?

Am frühen Nachmittag holen wir die Barke in Allermöhe ab, wo unser Bootsmeister noch die Spuren der letzten Wanderfahrt (Leck in der Backbord-Seitenwand) repariert. Mit nur leichter Verzögerung geht es dann endlich los. Entgegen der Tradition wird diesmal nicht in Stolpe auf dem Frauenparkplatz gerastet, sondern erst bei der Raststätte Limuner Berg. Aber auch hier schmeckt Herr Mumm gut gekühlt wieder vorzüglich. Am frühen Abend erreicht der erste Teil der Herde das Quartier in Töplitz. Der Empfang ist herzlich, schließlich wurde beim letzten Mal keine verbrannte Erde hinterlassen. Leider können wir die liebgewonnenen DDR Standard Häuser von vor zwei Jahren nicht mehr bewohnen, sondern müssen mit renovierten Häusern vorlieb nehmen.

Nur der VEB Heimempfänger auf der Resopalanrichte erinnert noch an die gute alte Zeit. Allmählich trudelt auch der Rest der Gruppe ein, und das Traditionsessen, Buletten satt, kann eingenommen werden. In der Bullenrunde verlaufen Gespräche bekanntlich auf höchstem Niveau, und so ist der Abend gefüllt mit anregenden Themen (in jeder Hinsicht), begleitet von einigen Hopfenkaltschalen und wohltuender Harmonie.

Am nächsten Morgen erfolgt dann endlich Kuddels Einsatz. Eine Möglichkeit zum Slippen wird unter einer Autobahnbrücke unweit des Quartiers gefunden. Das Terrain ist für Kuddel ideal: Pulversandiger Boden (Allrad), stiefeltief (große Jeeepräder) und enger Wendebereich (Zehenspitzen). Innerhalb von 30 Minuten schwimmt die Barke aufgeriggert und komplett bemannt (siehe oben) im Großen Zernsee/Havel. 

Püppi hat sich unbemerkt an Bord geschlichen, flüchtet aber wegen unzureichender Kleidung in die Backskiste, wo sie bis zum Ende der Fahrt ausharren sollte. Die ersten Ruderschläge werden allgemein als sehr anstrengend empfunden, was an dem Havelwasser liegen muss, das in frühen Morgenstunden bekanntlich sehr zäh, ja schon fast honigartig ist. Bald kommt dann auch das ersehnte Kommando: Einhängen, Blätter in Segelstellung und entkorken. Gegen Sodbrennen hilft Eierlikör der Marke Self-made aus dem Hause Wolgast. Die uns schon vertraute Tour führt an Werder vorbei über Schwielowsee, Caputher Gemünde in den Templiner See. Potsdam ist erreicht, der Himmel bietet schnell wechselnde Wolkenbilder, die Sonne lugt zwischen teilweise tiefdunklem Schwarz hervor. Vor dem sich zur gleichen Zeit über Hamburg zusammenbrauenden Unwetter sollen wir jedoch an diesem Tag verschont bleiben. Weiter geht es durch den Kanal Alte Fahrt in den Tiefen See. Bei der Potsdamer Rudergesellschaft legen wir an und nehmen unser verspätetes Mittag ein. Hier werden also die Olympiakandidaten geboren. 

Von 300 Mitgliedern sind die Hälfte Leistungssportler. Ein riesiger Bootspark ist in drei großen Hallen eingelagert. Der Anblick des weiblichen Rudernachwuchses verlängert unseren Aufenthalt so lange, dass wir beschließen, das Boot liegen zu lassen, um am nächsten Tag von hier aus die Fahrt fortzusetzen. Eine Spende an den Verein ermöglicht den Liegeplatz, mehr jedoch leider nicht.

Per Taxi fahren wir zurück nach Töplitz in unser Quartier. Kuddel schmeißt seinen Gasgrill an, Jost präpariert die Gambas, und ein weiterer geruhsamer Abend beginnt. Bis...

Jost und Franz weichen mit ein paar Stücken Grillgut auf den noch heißen Grill unseres Gastgebers aus, um den Ablauf des Essens etwas zu beschleunigen. Kuddel sieht das überhaupt nicht gern und droht mit zukünftiger Grillverweigerung. Selbst durch brüderliche Umarmungen und Streicheleinheiten ist er nicht zu einer Meinungsänderung zu bewegen. Bis zur nächsten Fahrt ist ja noch etwas Zeit!

Samstag Morgen: Unwetter in Norddeutschland, auch wir hatten eine regenreiche Nacht. Der Himmel sieht durchwachsen aus, es weht kräftig mit bis zu Windstärke 7, aber es ist trocken! Wieder per Taxi geht es zurück nach Potsdam zum Liegeplatz der Barke. Kulturelle Aspekte sollen auch auf dieser Fahrt nicht zu kurz kommen, und so bitten wir den Taxifahrer, am Schloss Sanssouci etwas langsamer vorbei zu fahren. Bei der Potsdamer Rudergesellschaft machen wir noch eine kurze Pause vor dem Fenster des Hantelraums, in dem schon einige junge Damen Frühsport betreiben. Motiviert legen wir ab, fahren unter der Glienicker Brücke durch in den Jungfern See. Der Wind bläst kräftig aus NW, langsam stampft die Barke gegen die See von vorn. Durch den Sacrow-Paretzer Kanal fahren wir über den Schlänitzsee und Wublitz nach Nattwerder, wo unsere Mittagsrast geplant ist. Der Himmel sieht bedrohlich aus, aber der Regen verschont uns noch. Wir erreichen das Lokal, und jetzt bricht der Regen über uns herein. Die Besitzerin der Gaststätte hat nach unserem Besuch vor zwei Jahren beschlossen, selbige zu schließen. Ob wir der Grund waren, können wir nicht in Erfahrung bringen. Immerhin, ein Dach zum Unterstellen ist noch vorhanden, ebenso der Garten, aus dem uns Horst mit frischen Pflaumen versorgt. So gestärkt für die letzte Tagesetappe brechen wir auf Richtung Töplitz. Der letzte Kilometer wird extrem lang, eine Situation wie damals vor Helgoland: Der Wind kalt und der Regen unnatürlich nass. Die Barke wird seemännisch im Jachthafen nahe unserer Feriensiedlung vertäut, und wir können uns in der Gastronomie des Jachthafens stärken. Horst verliebt sich in ein maritimes Ölgemälde, und für einen für beide Seiten guten Preis kann er seine Sammlung aufstocken.

Abends fahren wir nach Potsdam, um im restaurierten Holländischen Viertel den letzten Abend zu verbringen. In verschiedene gemütliche Kneipen kehren wir ein, und am frühen Morgen geht es zurück nach Töplitz.

Der Sonntagmorgen wird beherrscht von Dauerregen, und so beschließen wir, nicht mehr zu rudern. Per Kran wird die Barke auf den Trailer gesetzt, Kuddel schaut der Prozedur traurig, still und in sich gekehrt zu. Im "Hotel Mohr" zu Alt-Töplitz essen wir noch einmal gemeinsam zu Mittag, bevor die Heimfahrt angetreten wird.

Harmonisch wie immer gehen eine Barkenfahrt der Bullen und die Saison zu Ende. Aber in ein paar Monaten wird es wieder heißen: Ans Boot und macht hinne !!!

Hauke Peters

Wanderfahrt schlei, Juli 2023, ist online!

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