38. Ruderwanderfahrt Zingst / Darß ... erst setze das Steuer, dann wage das Meer!!!



Es begab sich aber am Vormittag des Freitag, den 1. Mai im Jahre 2009, dass sich 10 Mannen vom Bullentisch in Hamburg auf ihre lang ersehnte 1. Ruderwanderfahrt dieses Jahres auf den Weg gen Osten machten, nach Zingst am Bodden. Im 1. Gefährt saß die Führung mit FL Clemens, FM Wilfried und Fahrer Bendix, im 2. Gefährt fuhren die Einsilbigen Franz, Jost und Jan. Die Schnecken im 3.  LV-Gefährt waren Hauke, Frank, Hossi und Kud - mit Bindestrich - del  mit der Barke „Messina III“ auf dem Trailer. Die Anfahrt des 11. Mannes, nämlich Heiner, hatten wir erst für den 2. Mai vorgesehen, was sich später als unsere Trumpfkarte erweisen sollte.

Am Vorabend der Ruderwanderfahrt erlebten wir im Ruderclub der Allemannia ein paar herrliche und unvergessliche Stunden auf Heiner ihm seiner Geburtstagsfeier. Schöner und anregender konnte die V0 (Pfaunull) für den nächsten Tag wohl nicht sein! Oder?

Am frühen Nachmittag des 1. Mai kamen wir bei sonnigem Wetter, aber frischem nordöstlichen Wind im Ostseeheilbad Zingst in der Stromstraße 2 an. Die Gefährte 1 und 2 waren bereits eingetroffen, aber spurlos von der Straße verschwunden, während Pullbull mit dem Insgesamtlängen-Gefährt von 18 Metern  vor der Deichstöpe stand und auf ein Zeichen eines Kameraden wartete. Endlich zeigte sich ein Bulle auf dem Balkon des Appartementhauses, welches für ganze 3 Nächte unser Nachtlager werden sollte, und zeigte in Richtung Westen, wo wir das alte Baby in den Bodden slippen sollten. Pullbull vergewisserte sich persönlich über Straßen und Zugangsverhältnisse dorthin, parkte das Geschütz erst einmal eng am Grundstück unserer Unterkunft, wir nahmen Quartier in unseren zugewiesenen Appartements und zogen uns für das Rudern um.

Bullen im BootDann ging es flugs zur kleinen Marina vor dem Deich, wo die Barke schnell und sicher in ihr Element gelassen wurde. Sie wurde gehörig verproviantiert, die Besatzung nahm im Boot Platz und war klar zum Auslaufen. Ein ganz gewiefter Bulle kam dann noch vorher auf die Idee, dass das Steuer vor dem Ablegen noch eingesetzt werden müsste. Und nun suchten 10 Augenpaare in allen Winkeln und Ecken des Bootes nach dem Steuer! Oh, Schreck, das Steuer war weg!! Seit 1997 gibt es den Bullentisch, haben zusammen bisher 37 Wanderfahrten gemacht, aber so etwas war noch nie passiert! Sofort wurde der Bootsmeister Klaus Altena angerufen, ob vielleicht, oder doch, die letzten Benutzer der Barke das Steuer versust hätten. Nitschewo!!

Aber eschte Bullen sind fix schlau, und besonders der Hauke, der zusammen mit Jost in die Werkstatt der Marina schlich, um aus ungehobeltem Fichtenholz ein Notsteuer zu zimmern. Innerhalb einer Stunde hatten die „Schiffbauer“ das Steuer am Heck der Barke behelfsmäßig platziert und wir konnten ein paar Runden in dem Zingster Strom drehen. Als problematisch erwies sich nur die Aufhängung des Steuers. Aber immerhin!!

Und nun sollte sich unser Trumpf, unser 11. Mann, nämlich Heiner, als großer Retter erweisen, den wir aus strategischen und planerischen Gründen erst am nächsten Tag kommen lassen wollten. Heiner erhielt von Franz die Order (auch Bitte) vor Abfahrt von Hamburg in Moorfleet, wo beide Barken geparkt sind, alles genau nach dem Steuer abzusuchen. Bei Unauffindbarkeit sollte er dann das Steuer der neuen Barke „Allemannia“ mitnehmen.

Im „Wiking“ der kleinen Marina tranken wir auf diesen großen Schreck hin und vor dem Abendessen einen wohlverdienten „Après-Bodden“, während Jost sich an die Vertäuung der Barke machte. – Gemeinsam schlenderten wir 10 Bullen durch die engen Straßen von Zingst und suchten nach einem adäquaten Restaurant, was an diesem Tag nicht so einfach war, da meistens zu wenige Plätze vorhanden waren. Endlich fanden wir in der Fritz-Reuter-Straße eine Möglichkeit, um unsere knurrenden Mägen zum Schweigen zu bringen. Der Durst konnte schnell gestillt werden, aber mit dem Auftischen des bestellten Essens haperte es gewaltig. Nur 4 ahnungsvolle Bullen bekamen ihr Essen verhältnismäßig schnell serviert, während die restlichen Kameraden eine gute geschlagene Stunde darauf warten mussten. Der Grund war, die Kartoffelns waren dem Küchenchef vorzeitig ausgegangen! Hätte man dann nicht lieber chinesische Kartoffeln dafür machen können? Aber als Trost gab es von der Chefin einen Kurzen.

Es wurde schon dunkel, als wir  alle ein wenig unter Strom in unseren 3 Appartements in der Stromstraße eintrafen. Appartement Nr. 4 mit Bewohnern Bulleye, Bankybull und Eiderbull luden noch zu einem guten Gläschen Wein ein. Unterdessen rumorte es ganz leicht innerhalb der Truppe. Es war die Angst vor dem Aus des Toilettenpapiers in den Appartements. Hauke versuchte heimlich 200 Blatt Papier für die nächsten Tage zu sichern und konnte nur durch Clemens daran gehindert werden. Gegen Mitternacht kehrte Ruhe im Bau ein. Allerdings begannen dann einige  Kameraden mit ihrer Arbeit, dem Holzsägen!

Der Samstagmorgen zog mit schönem Wetter herauf. Gemeinsam wanderten wir auf dem Deich zum 361,1 Meter entfernt liegenden Hotel und Restaurant Marks, wo wir wohlerzogenen Bullen ein gutes Frühstück einnahmen.

Danach schritten wir zur Tat, und legten 2,5 Stunden vor der Zenitstellung der Sonne in Zingst ab. Übrigens trug Kuddel an diesem Tag seine HSV-UEFA-Cup- Hinspielhose-Nr.17. Darin sah er aus wie Uwe Seeler mit Bart. - Das Notsteuer wurde beansprucht, als wir ganz schneidig ostwärts durch den Zingster Strom ruderten. An der Südspitze von Schilf – und Marscheninsel Klein Kirr ging es mit westlichem Kurs durch den Fitt (ein Teil des Boddens) auf die Ponton – Straßenbrücke zu, die das Festland mit Zingst verbindet.

Der Bodden zeigte sich an diesem Tag von seiner schönsten Seite. In diesem Seegebiet waren wir ganz alleine. Keine Segler, keine Motorboote, keine Kite-Surfer und keine Wapos weit und breit. Allerdings glitten wir manchmal durch extrem flaches Wasser. Das Notsteuer musste deshalb eingeholt werden. Mittels Lotungen und intelligentem Rudern konnte die Barke gut auf Kurs gehalten werden und Dank des exzellenten Services von so genannten Softgetränken und Ähnlichem kam es unter den Ruderern zu keinen Missmutäußerungen irgendwelcher Art. Die Ponton – Brücke kam näher und ohne Mühe konnten wir sie passieren. Im Bodstedter Bodden wurde dann auch endlich das Jostsche Segel gesetzt, um die Ruderer endlich einmal zu entlasten. Gluck, Gluck.

Man hielt stur Kurs 270 Grad, um verabredungsgemäß in Wieck Heiner aufzunehmen. Endlich, gegen 13:14 Uhr wurde die kleine Anlegestelle von Wieck auf dem Darß erreicht. Dort fungierte Heiner als Leuchtturm und winkte mit dem „Allerwertesten“. Tja, womit wohl? Natürlich mit dem Steuer der „Allemannia“!!

In Wieck wollten wir planmäßig Mittagspause machen und mit forschem Schritt erreichten wir um die späte Mittagszeit ein nettes Restaurant an der Hauptstraße. Zum Glück hatte die Küche von „Kum rin“ (Hochdeutsch: komme herein) noch geöffnet. Die sehr nette Chefin Jana Röder (welcher Charmeur von uns hatte ihren Namen aus dem Leib gekitzelt?) hatte uns sofort in ihr Herz geschlossen. (Warum auch nicht?) Das Essen und die „Zutaten“ mundeten uns so gut, dass ein Casanova von uns versprach am Abend wiederzukommen!

Der Tag war noch lang und weitere Ziele lagen noch vor uns. Nach einer kleinen Korrektur an der Steuereinsteckschiene, konnte nun das Steuer von der Barke „Allemannia“ eingesetzt werden. Und ab ging die Post mit Südkurs um den Nadelhaken der Halbinsel, dann westwärts des Koppelstromes in Richtung Born. Erst in den späten Abendstunden wurde der niedliche Ort Born auf dem Darß angesteuert. Püppi wurde für die Nacht von Jost an viele Leinen gelegt. Derweil warteten wir sehr gerne, bei gepflegten Gesprächen und guten Bieren (oder auch umgekehrt!) auf die Taxen, die uns via Wieck nach Zingst bringen sollten. Inzwischen hatten einige Kameraden ihre Seesäcke mit etlichen Papierrollen bestückt.

Spät, aber nicht zu spät, trafen wir an diesem Abend in den „Zingster Stuben“ ein. Dort wurde vernünftig zu Abend gespeist und getrunken. Krampfhaft wurde danach nach einem Lokal Ausschau gehalten, um, wie an der Mosel, einen Absacker in guter Gesellschaft zu nehmen. Aber hier im Ort waren wir auf dem falschen Dampfer! Deshalb zogen sich die Bullen vornehm in ihre Appartements zurück, nachdem vorher ein paar Verkehrsschilder des Ortes umgestellt worden waren. Irrig! Die Folge war, dass die Zingster am nächsten Tag den Kreisel für längere Zeit nicht verlassen konnten!

Auf den Samstag folgte, logisch, der Sonntag. Viele Wälder waren während der Nacht wieder hinne gemacht worden. Das Frühstück wurde, wie am Tag zuvor, im Hotel Marks eingenommen. Die Taxen fuhren uns danach nach Born zurück. Vor der Abfahrt gab uns der Hafenmeister einen Tipp, wie wir am besten durch den Borner Bülten – Schilfgürtel fahren könnten. Wie empfohlen, so befolgt, ruderten wir westwärts durch eine enge Passage im Schilfgürtel. Danach gelangten wir in den großen Saaler Bodden und steuerten das Künstlerdorf Ahrenshoop an. Erst gegen 14.00 Uhr erreichten wir den kleinen, aber gepflegten Hafen, wo in unmittelbarer Nähe in einem Restaurant mit einer eigenen Fischräucherei die Mittagspause eingelegt wurde. Natürlich kamen Fischplatten auf den Tisch. Und wie schön der Fisch in unseren Mägen schwimmen konnte!

Fasching?Das Wetter meinte es an dem Nachmittag nicht gerade gut mit uns. Signum mali würde ich als alter Lateiner sagen. Cirrus-Fibratus-Wolken zogen am Himmel herauf, was auf bald aufkommenden Regen schließen ließ. Um 15:30 Uhr wurde von Ahrenshoop abgerudert und es ging mit SW-Kurs auf Wustrow zu, ein Ort mit einer ehemaligen Seefahrtschule, an der unser lieber Frank sein Kapitänspatent noch absolviert hat und ein Ort, in dem viele von uns schöne Stunden verbracht haben. - Am Eingang des Hafens von Wustrow wurde die Barke nachtfein gemacht und sturmsicher vertäut. Von wem wohl?

Inzwischen hatte man am Unterfeuer im Kapitänshaus gebührend Platz genommen, um dort „zu gerne“ auf die Taxen aus Zingst zu warten. Wilfried riet Clemens das Abendessen hier einzunehmen, da es schon reichlich spät war, aber der FL lehnte es wirsch ab, was sich später als kapitaler Fehler erweisen sollte. Ein Landregen hatte inzwischen eingesetzt. Na ja, wir saßen im Trockenen und wurden dafür innerlich aber ganz gut nass. Das 1. Großraumtaxi kam und nahm 6 Kameraden auf, um sie nach Zingst zu bringen. Und was taten die Zurückgebliebenen? Nach eineinhalb Stunden kam das Taxi erst wieder zurück, um den Rest von uns abzuholen. Die nicht gerade kleine Zeche wurde beglichen und gab, was die Anzahl der Behältnisse anging, zum Staunen Anlass.

Gegen 21:30 traf die Fuhre in Zingst ein. Schnell wurde geduscht und sich umgezogen, um noch rechtzeitig das Farewelldinner im Kurort Zingst einzunehmen. Hustekuchen! Die Bürgersteige waren inzwischen hochgeklappt worden. Nur mit List und Tücke konnte für jeden von uns eine Trockenpizza oder Ähnliches im Ort erstanden werden. Dazu gab es eine Art Flaschenbier, das nicht gerade gut schmeckte. Aber immerhin besser als eine Taube auf dem Dach! Im großen, oberen Appartement wurde die Pizza mutig verspeist. Danach wurde es, wie zu Hause, richtig familiär. Vater Jan lag auf dem Sofa in Embryo-Stellung und war mit irgendwelchen Sägearbeiten beschäftigt. Einige von uns verfolgten am Fernseher die Sonntagsspiele der Bundesliga und die anderen hatten Schopenhauer am Wickel. So neigte sich der Tag seinem Ende zu.

Der Montag begann mit Regenschauern und stürmischen Winden aus westlicher Richtung. Trotzdem wollten wir gemeinsam zum Frühstücken gehen und warteten auf die bekanntlich immer zu spät kommenden Kameraden von den oberen Etagen, aber diese hatten sich aufgrund des letzten Fastenabends bereits eine halbe Stunde früher auf die Socken gemacht. Sie grienten über alle Backen, als wir leicht durchnässt den Frühstücksraum betraten, und freuten sich über das Schnippchen, das sie uns geschlagen hatten.

Mit Sack, Pack, Auto und Trailer ging es nun nach Wustrow. Vorgesehen waren an diesem Morgen ein paar Stunden Rudern, um unsere Rudertechnik noch mehr zu verfeinern. Die steife Brise machte es uns allerdings unmöglich und wir entschlossen uns, die Barke aus dem Wasser zu nehmen. Dafür bot sich dem Liegeplatz gegenüberliegende Slip gut an. Einmal aus dem Wasser gezogen, wurde die Barke abgeriggert, gehörig gesäubert und auf dem Trailer für die Fahrt nach Hamburg gesichert.

Schon in Wustrow verabschiedeten sich die Fahrgemeinschaften voneinander, zumal der eine oder andere von uns noch dringende Termine an diesem Werktag wahrnehmen musste.

Es war wieder eine gelungene Wanderfahrt, allerdings mit ein paar Imponderabilien. Die Kameradschaft war hervorragend. Kein Streit, kein Neid, keine Missgunst usw.

Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Wanderfahrt im September. Zum ersten Mal geht es ins Ausland, und zwar nach Sneek in Holland.

Verfasser:
Horst oder so!

 

P.S.: Am übernächsten Tag nach unserer Heimkehr vermeldete Franz, dass das Steuer der Messina III, wie vom Himmel gefallen, aufgefunden wurde. Eigenartig!!

Wanderfahrt schlei, Juli 2023, ist online!

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