36. Ruderwanderfahrt Potsdam u. a. : . . . fallen Anker in der Bucht von Moorlake



Es begab sich vor vielen, vielen Stunden, dass ein Trupp von 6 Mitgliedern: Clemens, Wilfried, Kuddel, Franz, Hauke und Hossi, sowie 3 große Sympathisanten des Bullentisches: Rainer B, Rainer R. und Bendix sich am Donnerstag, den  26. Juni 2008, mit der Barke „Allemannia“ auf den Weg nach Potsdam machten, während in ganz Europa das 2. Sommermärchen seinem Höhepunkt zusteuerte.

Vorausgegangen war die Einladung zur Wanderfahrt vom 16. Mai d. J. vom langjährigen FL Clemens und FiDi Wilfried. Leider musste die Hälfte der Anzahl  Bullen aus termin- und familiären Gründen passen. Zum Glück konnten aber die beiden Rainers und Clemens ihm sein bester Bruder Bendix für die Fahrt gewonnen werden.

Eine uralte und sperrige Straßenteermaschine versperrte Kuddel und ihm seine Mitfahrer Hauke und Hossi den Zugang zum Unterstand der Barke in  Moorfleet(?). Die Teermänner waren nicht bereit, uns eine Passage zu gewähren. Nur über sehr, sehr lange Umwege konnten wir das „Baby“ erreichen und schließlich glücklich aus seinem Ruhelager befreien. Ente gut, alles gut! Gegen 13:30 Uhr befanden wir uns endlich auf der Autobahn gen Osten.

Ursprünglich waren ein Gedankenaustausch und ein Gesundheitscheck auf der Autobahnraststätte Lllliiinummer Bruch oder so geplant, musste aber aus biologischen Gründen schon in Stolpe erfolgen. Dort trafen wir uns bei herrlichstem Wetter an einem Steintisch und ließen den Champagner über unsere Gaumen rieseln. Leider konnte Rainer B. nicht dabei sein, da er unbedingt auf der Loxodrome von Hannover nach Potsdam fahren wollte.

Nachdem der Champagner unseren Blutdruck in Wallungen gebracht hatte, brachen wir in Richtung Potsdam auf. Gegen 17:00 Uhr erreichte der Tross mit dem „Baby“ endlich das Kongresshotel Potsdam, Am Luftschiffhafen 1 am Templiner See, wo uns die Vorhut gebührend einwies. Schnell wurde im Hotel Quartier bezogen, bevor wir uns zur Streckenbesprechung im Foyer bei und mit den „Blondis“ trafen. Außerdem beschloss die Mehrheit, die Barke an diesem Tag nicht mehr zu wässern. Zwischenzeitlich hatte man aber eine Slipanlage für den nächsten Morgen, unweit des Hotels am Templiner See gelegen, ausgemacht, die wir auch schon einmal vor 4 Jahren benutzt hatten.    

Bankybull hatte zu einem Abendessen in die im Tudorstil gebaute Meierei des Schlosses Cecilienhof am Jungfernsee geladen. Dort waren wir vor 4 Jahren zum letzten Mal eingekehrt und einige Kameraden von uns pflegten den Kontakt zu zwei Pädagoginnen (mit Brille). Von den Damen war keine Spur mehr zu sehen, als wir dort gegen 20:00 Uhr eintrafen. Im rustikalen Gastraum der privaten Bierbrauerei labten wir uns am Hausbier und an den Speisen. Ab 20.45 Uhr verfolgten wir vor einem großen Flachbildschirm das Fußballspiel Spanien gegen Russland, das die Spanier  mit 3 : 0 gewannen. Danach wurde zum Aufbruch geblasen. In der Hotelbar des Kongresshotels gönnten wir uns vor der Nachtruhe noch den einen oder anderen Trunk.

Am Freitagmorgen traf man sich pünktlich um 08:30 zum Frühstück im riesigen Frühstücksraum des Hotels an einem großen Tisch. Das Angebot am Buffet war gut und reichlich. – Weit gefehlt war die Annahme, dass wir am Wochenende die einzigen Gäste sein würden. Hier tummelten sich hunderte von Bankern, die hier, nach den vielen Zusammenbrüchen von Banken in letzter Zeit, in Seminaren wieder für neue Taten oder Untaten(?) aufgepeppt wurden. Übrigens haben Bankenzusammenbrüche nicht nur Verlierer sondern auch Gewinner!

Neben dem „Seekrug“, in dem wir letzte Mal gastiert hatten, brachten wir mit Pullmull und vereinten Kräften die Barke über die zwickelähnliche, schmale Slipanlage zu Wasser. Vorher musste „Lore“ noch von der Schiene gerollt werden. Am Steg vom

Olympiastützpunkt Potsdam
Bundes- und Landesstützpunkt Rudern
Stützpunkttragender Verein
Potsdamer Ruderverein e.V.

wurde das Baby von uns gehörig ausgerüstet und bemannt. – Merkwürdigerweise sahen wir an diesem Morgen nur 2 olympiaverdächtige Ruderer auf dem Gelände des Stützpunktes. Wurden die Mädchen und Jungen unter Verschluss gehalten? Waren sie auf dem Wege nach Peking? Fragen über Fragen. – Bei wechselhaftem Wetter legten wir schließlich um 10:45 Uhr vom Steg mit Kurs NW ab. Der Steuermann Rainer R. musste eine Vielzweckfunktion ausführen, weil es seine Zeit dauerte, bevor das Glas eingeschenkt wurde und an die Lippe geführt werden konnte.

Es wurde gut und ohne viele Pausen in Richtung der Potsdamer Innenstadt gerudert, vorbei an Hermannswerder, Obere und Untere Planitzinsel, weiter der Havel folgend durch die Neue Fahrt in den Tiefer See, links vorbei am Parkgelände von Babelsberg, rechts vorbei am Stadtteil Berliner Vorstadt. (Alle Sehenswürdigkeiten  sind nachlesbar im 24. Ruderwanderbericht!) Inzwischen sind in vielen Gegenden viele Neu- und Umbauten getätigt worden. Viel Geld wird anscheinend auch hier noch in die Vergangenheit von Potsdam investiert, denn gegenüber von der Nikolaikirche entsteht zum Beispiel wieder das Schloss.

Ruder-UnterstützungMit Hilfe des Rückenwindes, den wir in den wenigen Pausen mit unseren Ruderblättern, hochgehaltenen Mützen und Lappen, unseren Ohren usw.  ausnutzen, erreichten wir die Glienicker Brücke und gelangten in den Jungfern-See (die Arme!) und hielten Kurs auf die Heilandkirche von Sacrow. Irgendwie hatte der Wind sich gedreht, so dass die frische Brise uns das Vorwärtskommen bis unter die  Landzunge von Sacrow  leicht erschwerte. An der Steuerbordseite erblickten wir voller Freude  die Bucht von Moorlake. Stracks wurde der Kurs um ca. 90 Grad geändert und auf das am Ende der Bucht liegende Restaurant zugehalten. Dort, ein Novum des Bullentisches, wurde von Wilfried ein schneidiges Ankermanöver ausgeführt!

Die Mittagspause war jetzt redlich verdient. Unter einem großen Sonnenschirm, der uns auch einmal gleichzeitig als Regenschirm diente, taten wir uns gütlich an Speisen und Getränken, bevor die Stätte am Nachmittag wieder verlassen wurde. Nur ein Halbkreis Gläser wurde zurückgelassen.

Es ging in Richtung NW. Die Pfaueninsel wurde östlich passiert und umrundet, um danach mit westlichem Kurs in Badewanne von Berlin einzulaufen. Im Ruderclub am Wannsee wurde die Barke für die Nacht fein gemacht, d. h. sie wurde aufgeräumt und seemännisch vertäut. Nach dem Rudern folgte an diesem Tag eine lange, lange Wanderstunde entlang des Kronprinzessinnenweges, bevor wir endlich einen Taxistand erreichten; denn an diesem Tag hatten sich alle vorbeifahrenden Taxifahrer gegen uns verschworen, da entweder besetzt war oder die Fahrer zu ihrer Mutti wollten.

Letztendlich gelangten wir wohlbehalten in das Hotel Kongresszentrum. Schnell wurde sich landfein gemacht und mit 2 Taxen ging es ab in das Restaurant „El Puerto“ an der Langen Brücke von Potsdam. Hier wollten wir mit einem kernigen „Buenos dias dem Personal bekunden, dass wir die spanische Sprache beherrschten. Hustekuchen! Man sprach hier teutscher als Teutsch! Egal wir hatten Durst und Hunger. Auf Empfehlung unseres FL wurden zünftige Tapas in allen Variationen gereicht. Muy bueno! Nach dem Essen traf man sich auf der Terrasse zu hochgeistigen Gesprächen. Dazu wurde feuriger spanischer Rotwein getrunken, der trotzdem kein Feuer im Körper entfachte, denn einige Kameraden im Strandkorb hatten sich jeweils in eine rote Wolldecke gehüllt. Vor Mitternacht wurde dann endlich(?) zum Aufbruch in das Basislager geblasen. Dort herrschte noch reger Betrieb am Tresen und so gesellte man sich dazu ohne jedoch Kontakt zu einem der vielen anwesenden Banker herzustellen. Das Nachtleben in Potsdam war für uns nach dem anstrengenden Rudertag ohne Interesse.

Pünktlich um 08:30 Uhr traf man sich an diesem Sonnabendmorgen wieder zum Frühstück, umgeben von Hunderten von Bankern, die uns wahrscheinlich ganz schlecht in die Kategorie Beruf einordnen konnten. Bei einer evtl. Nachfrage hätten wir natürlich Bankybull als Ass aus dem Ärmel geholt!

Nach dem opulenten Frühstück ging es bei bedecktem Himmel mit 2 Taxen zum Ruderclub am Wannsee. Baby hatte die Nacht wohl überstanden und freute sich, dass sie endlich wieder in die Pflicht genommen wurde. Um viertel vor legten wir ab und ruderten parallel zum Ufer in den kleinen Wannsee. Plötzlich, und für uns alle unerwartet, drängte es den FL kurz nach Passieren der Wannseebrücke den am Westufer befindlichen „Berliner Ruderclub“ aufzusuchen, der in einem sehr schönen, Villa ähnlichen Gebäude untergebracht ist. Mehr als „Ja, klar“ konnten wir nicht sagen.   

Bulli sein Vater?Im dunklen holzgetäfelten Clubzimmer des Ruderclubs nahmen wir schweigend an einem runden (in Zukunft setzen wir uns grundsätzlich nur noch an einen runden Tisch!) Platz und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Es dauerte auch nicht lange und ein „Sunriser“ = „Sonnenaufgänger“ wurde für jeden von uns serviert. - Auf dem Kaminsims erblickten wir eine gewaltige Bronzefigur. Es war der Fatherbull von unserem Bully  in Hamburg! Am liebsten hätten wir die Figur zwecks Familienzusammenführung mitgenommen. Wäre Jost doch bloß in seiner Bleylehose dabei gewesen,  er hätte sie unauffällig in seiner Hosentasche verschwinden lassen können! Also, nächstes Jahr ist Jost in Berlin dabei! Oder zumindest seine Bleylehose!

Inzwischen war der Sunriser zu einem Frühschoppen ausgeartet. Die stark quietschende Schwingtür des Klubs wurde zwischenzeitlich von uns gehörig geölt. Übrigens waren Mitglieder des Ruderclubs, die an den Clubtresen strebten, uns gegenüber freundlich und gesprächig. Ein Vorstandsmitglied erklärte uns z.B. die Geschichte des Hauses. – Die Zeit und das Wetter erlaubten uns noch den Verzehr einer echten, frisch gebratenen und von Frauenhand gemachten Bulette.

Um fünf nach legten wir ab, ruderten durch die kleine Badewanne, den Pohlsee und Stölpchensee in den schlauchähnlichen Griebnitzsee  und schließlich in den Glienicker See. – Kopf in den Nacken und nicht viel schnacken! Mit diesem Motto kamen wir gut voran.

Vor dem Endspurt bis zum Olympiastützpunkt Potsdam wollten wir noch ne’ Tass Kaff trinken und legten am Wohnschiff „Luise“ an der Berliner Straße 58 an. Im Garten am Ufer tranken wir unseren Kaffee, der merkwürdig nach Bier schmeckte. Und hier bekam unser Kuddel endlich einmal sein Lieblingsmaß von  0,5 Litern eingeschenkt. Er war darüber so glücklich, dass er vor Freude fast einschlief. – Aber irgendwie war in dieser Anlage und in den Köpfen der Betreiber der Geist der „DDR – Zeit“ noch in Wort und Tat zu spüren gewesen. Hier wollten wir unser Lieblingslied nicht spielen, zogen und ruderten bald von dannen.

Am frühen Abend, das Wetter zeigte sich inzwischen von seiner schönsten Seite, erreichten wir die Anlegestelle, die wir am Vortage verlassen hatten. Im Garten am Seeufer vom „Seekrug“ wurde vor dem Abendessen noch der Tagesablauf besprochen. Es gab keine Manöverkritik! Das Personal vom „Seekrug“ war auch dieses Mal schlecht gelaunt, und das ist wohl auch  der Grund, dass kaum noch Gäste anwesend waren.

Das Abendessen wurde wieder in großer Übereinstimmung im „El Puerto“ eingenommen. Ohne lange die Speisekarte zu studieren, wurden wieder Tapas satt für uns AlleMannen serviert. Danach ging’s  ab in die Strandkörbe mit roten Decken bei Rotwein und  mit Gesprächen über Schoppenhauer (u. a. Erfinder der Schoppen!). Und irgendwann ging der Planet Mars hinter dem „Mercur“ unter. Es wurde Zeit, zurück in das Hotel zu fahren.

Dort tobte um diese Zeit ein großer Abi – Ball, an dem sich einige Bullen am liebsten beteiligt hätten, sie zogen es aber  aus Pietätsgründen vor, lieber ein paar Blondis in der Hotelbar  herunterzuspülen.

Bei strahlendem Sonnenschein traf man sich am Sonntagmorgen komplett am Frühstückstisch wieder. Noch immer  waren viele Banker im Hotel anwesend. Nur ein neuer, außergewöhnlicher Gast saß an diesem Morgen unauffällig und schüchtern mit einer Art Eva an einem kleinen Tischchen und nippte an seinem Kaffee. Dieser Gast hatte eine frappierende Ähnlichkeit im Aussehen und Benehmen von flodA  reltiH! Als „Tarnung“ trug er eine dunkle Hornbrille. Hauke war von dem „Geschichtsmenschen“ so gerührt, dass er am liebsten Kontakt zu ihm aufgenommen hätte. Aber irgendwann hört der Spaß dann doch auf.

Gegen 10:00 wurde die „Allemannia“ vom Bootssteg der Potsdamer Rudergesellschaft in den 2 km nordöstlich gelegenen Yachthafen gerudert. Dort angekommen, wurde die Barke von Kuddel auf den Haken genommen und aus ihrem Element gepullt. Es erfolgte nach guter Hausfrauenart eine sehr gründliche Reinigung des Bootes.

Alsbald befand man sich (leider, leider) wieder auf dem Heimweg. Rainer B. hatte sich bereits in Potsdam von uns verabschiedet, da die Streckenführung nach Hannover usw. , usw. – In Stolpe traf sich der Haupttross noch einmal zu einem Imbiss, bevor sich die Gruppe auflöste, um in froher Erwartung am Abend dieses Tages die Krönung des 2. Sommermärchen zu erleben!

Eine schöne, ruhige, erlebnisreiche, gesittete, harmonische, gut geleitete, gut finanzierte, beeindruckende, sportliche usw. Ruderwanderfahrt ging  viel zu schnell zu Ende!

Mit einem dreifachen „Neuruppin helau“ schließe ich den Bericht und freue mich auf die nächste Ruderwanderfahrt auf der Mosel.


Horst Dellin
Eiderbull


PS: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig! Alle Personen sind frei erfunden!

 


Wanderfahrt schlei, Juli 2023, ist online!

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